§• 2, 11. Der schmalkadische Krieg. Luthers Tod. 43
aber, daß der Kaiser den drohenden Krieg nicht als einen Religionskrieg darstellte, gelang es ihm sogar, einige protestantische Fürsten für sich zu gewinnen, den Herzog Moritz von Sachsen und die brandenburgischen Markgrafen Johann von Küstrin und Albrecht von Bai reut h. Moritz von Sachsen hatte, ohne Mitglied des schmalkaldischen Bundes zu sein, die evangelische Lehre in seinem Lande befördert. Er war ein ritterlicher Herr und hatte sich im Türkenkriege so hervorgethan, daß Karl, welcher allen Deutschen abhold war, ihn allein zu seinem Liebling erkor. Moritz, der Schwiegersohn des Landgrafen Philipp von Hessen, war mit seinem Vetter, dem Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen, wegen des Städtchens Wurzen in Streit geraten, dieser aber gütlich beigelegt worden. Sein geheimes Bündnis mit dem Kaiser scheint durch die Aussicht zu stände gekommen zu sein, daß sein Land aus Kosten des Vetters vergrößert werde. Ohne allen Argwohn übergab Johann Friedrich seinem Vetter die Beschützung seines Kurfürstentums, als er selbst mit den Häuptern des schmalkaldischen Bundes an die Donau gegen den Kaiser aufbrach.
Der Kaiser weilte noch in Regensburg und hatte nur 8700 Mann um sich, als die Protestanten bereits von allen Seiten heranrückten. Die Kriegsmacht der oberländischen Städte befehligte ein entschlossener und umsichtiger Führer, Sebastian Schärtlin von Burdenbach bei Augsburg. Er wollte vor allen Dingen dem Kaiser jeden Zuzug abschneiden und ihn dann selbst angreifen; allein die Fürsten des fchmalkaldifchen Bundes traten ihm durch Gegenbefehle stets hemmend in den Weg und erließen an den Kaiser ein Schreiben und ein öffentliches Manifest, worin sie ihre Maßregeln rechtfertigten. Karl erklärte den Kurfürsten von Sachsen und den Landgrasen von Hessen in die Acht, doch zögerten diese noch immer mit einem entschiedenen Vorgehen. Unterdessen kam der Winter heran, die Soldaten wurden mißmutig und begannen zu entlaufen. Der Kaiser, dessen Heer durch Mangel, Seuchen und Kälte ungemein litt, hatte schließlich die Freude, daß die Verbündeten ihn um frieden baten. Er ließ ihnen aber erwidern, daß er keinen andern Weg zum Frieden kenne, als wenn sich der Kursürst und der Land-graf mit Land und Leuten auf Gnade und Ungnade ergäben. Jetzt kehrten diese in ihre Länder zurück, da die Nachricht eingetroffen war, Herzog Morrtz von Sachsen habe die Reichsacht an dem Kurfürsten vollzogen und dessen Land besetzt.
Karl konnte nun mit leichter Mühe die süddeutschen evangelischen
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§. 2, 11. Der schmalkaldische Krieg.
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Kranach, welcher Bürgermeister von Wittenberg war, die Gefangenschaft seines Herrn zu teilen und ihm nach Innsbruck zu folgen. Auch ließ er den evangelischen Gottesdienst bestehen, und erwiderte dem Herzog Alba, welcher die Gebeine des „Erzketzers" Luther ausgraben und verbrennen lassen wollte, sehr treffend: „Lasset ihn ruhen; er hat seinen Richter gefunden. Ich führe Krieg mit den Lebenden, nicht mit den Toten."
Mit nicht geringem Schrecken vernahm der Landgraf Philipp von Hessen die Folgen der unglücklichen Schlacht bei Mühlberg. Sein Schwiegersohn Moritz von Sachsen und der Kurfürst Joachim von Brandenburg hatten sich bemüht, den Kaiser mit ihm auszusöhnen, allein dieser verlangte unbedingte Unterwerfung. Endlich kam eine Übereinkunft zu stände, wonach der Landgraf sich aus Gnade und Ungnade ergeben, fußfällig um Verzeihung bitten, 150 000 Gulden zahlen, alle seine Festungen bis auf Kassel oder Ziegenhain schleifen, sowie den Herzog Heinrich von Braunschweig sammt dessen Söhnen aus der Haft entlassen sollte. Moritz fügte noch das Versprechen bei, es solle der Landgraf weder an Leib und Gut, noch mit Gefängnis oder Schmälerung seines Landes beschwert werden. So hart die Bedingungen auch waren, so entschloß sich der Landgras doch zur Annahme derselben. Während er vor dem Throne des Kaisers kniete, las sein Kanzler die Abbitte ab. Beim Vorlesen soll der Landgras höhnisch gelächelt und der Kaiser ihm mit drohend ausgehobenem Finger in seiner niederländischen Mundart gesagt haben: „Wart, ich will dich lachen lehren!" Nachdem der Landgras bei dem Herzog Alba zu Abend gespeist hatte, wurde er verhaftet. Die Vorstellungen der beiden Kurfürsten Moritz und Joachim von Brandenburg blieben unbeachtet; Philipp der Großmütige erfuhr eine härtere Behandlung.*) Als er einen vergeblichen Fluchtversuch gemacht hatte, ward ihm ein kleines Gefängnis in der Citadelle von Mecheln angewiesen, dessen Fenster sogar vernagelt waren. Die Diener des Landgrafen wurden hingerichtet oder vor seinen Augen in Spieße gejagt. Auch seine treue Gemahlin Ehristina, welche mit unüberwindlichem Mute für ihn wirkte (§ 7, 10) und flehte (sie war eine Toch-
*) Ob in betreff seiner Gefangennehmung die kaiserlichen Räte einen Betrug geübt und das Wort der Kapitulation „einiges" mit „ewiges" Gefängnis vertauscht haben, oder ob von Moritz und Joachim in der Eile ein Lesefehler gemacht fei, bleibt dunkel: die beiden Fürsten glaubten an einen Betrug.
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86
Erste Periode der Neuzeit.
ihnen dies vom Kaiser geradezu verweigert. Jetzt schlossen sie auf Zureden des französischen Königs Heinrich Iv. zu ihrem Schutze in der ausgehobenen Abtei Ahausen im Ansbachischen 1608 einen bewaffneten Bund, die Union genannt, aus die Dauer von zehn Jahren und stellten an die Spitze desselben den reformierten Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, was Kursachsen veranlaßte, der Union nicht beizutreten. Gegen die Union schlossen im folgenden Jahre die katholischen Fürsten eine Vereinigung, die Liga, zu Würzburg, an deren Spitze Maximilian von Bayern gestellt wurde. Mit der Union waren Frankreich und Holland verbündet; aber kurz darauf ward Heinrich Iv. ermordet.
Das Königreich Böhmen war nach der Schlacht bei Mohacs 1526, in welcher König Ludwig von Böhmen und Ungarn gegen die Türken fiel, an den östreichischen Erzherzog, den späteren Kaiser Ferdinand I., gekommen. Dieser und Maximilian H. hatten die Protestanten in Böhmen in keiner Weise beeinträchtigt; Rudolf Ii. war ihnen feind und abgeneigt. Seine Sorglosigkeit und Nachlässigkeit in den Regierungsgeschäften brachten ihn aber in eine Lage, daß er den Protestanten Zugeständnisse machen mußte, welche er sonst nie gewährt hätte. Durch seine Trägheit machte sich Rudolf auch in Ungarn verhaßt. Er hatte keinen Landtag besucht, auf Anfragen und Beschwerden keine Antwort erteilt und seinen Truppen ungestraft Plünderungen und Rohheiten hingehen lassen. Dazu kam noch, daß er die protestantische Lehre in Ungarn mit Gewalt der Waffen zu unterdrücken suchte. Die Ungarn empörten sich und schützten ihre Freiheiten und ihren Glauben. Dies veranlaßte die östreichischen Erzherzöge, des Kaisers Bruder Matthias zum Haupte ihres Hauses zu erklären. Matthias stellte mit schweren Opfern Ruhe in Ungarn her und zwang den Kaiser, ihm Östreich, Ungarn und Mähren abzutreten und die Anwartschaft auf Böhmen zu erteilen. Kaum war Matthias nach Wien zurückgekehrt, so forderten die Protestanten, deren er sich eben zur Durchsetzung seiner herrschsüchtigen Absichten bedient hatte, Glaubensfreiheit und freie Religionsübung. Wider seine Überzeugung bewilligte er diese Forderung (1609) und bewog dadurch die Böhmen, ein gleiches Gesuch an Rudolf Ii. zu stellen. Durch ihre drohende Haltung erschreckt, unterschrieb Rudols den berühmten Majestätsbrief 1609, wodurch die reichsunmittelbaren protestantischen Stände Religionsfreiheit nach dem Augsburgischen Glaubensbekenntnisse und das Recht erhielten, Kirchen und Schulen zu bauen.
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Holland Ungarn Ungarn Ungarn Ungarn Ungarn Wien
90
Erste Periode der Neuzeit.
die Häupter des böhmischen Aufstandes. Viele büßten mit dem Leben, andere mit dem Verluste ihrer Güter, einige mit schwerem Gefängnis. Mit eigener Hand zerschnitt er zuletzt den Majestät s b r i e f.
Noch einmal versuchten drei deutsche Truppenführer, die Sache Friedrichs zu verfechten und sein Land zu retten, Ernst von Mansfeld, Markgraf Friedrich von Baden-Durlach und Christian von Braunschweig. Der letztere trug nach Ritterart den Handschuh der schönen Elisabeth an seinem Hute; denn er hatte geschworen, er werde ihn nicht ablegen, bis er sie und ihren Gemahl wieder in ihr Land eingesetzt habe. Allein da die mächtigeren Fürsten in Deutschland ihnen nicht beizustehen wagten, so mußten sie zuletzt erliegen. Zuerst zwar siegten der Mansselder und Friedrich über Tilly bei Wies loch 1622. Als sich aber Friedrich wieder von Ernst von Mansseld trennte, erlitt er bei Wimpfen durch Tilly eine entschiedene Niederlage und entging der Gefangenschaft nur durch die Tapferkeit seiner Garde, die den Rückzug deckte.*) Auch Christian von Braunschweig, der mit seinen Scharen allenthalben gefürchtet wurde, erlag. Zu Paderborn ging er selbst in der Kirche auf ein goldenes Bild des heiligen Liborius zu und eignete sich, es umarmend, das Gold als Beute an. In Münster nahm er die silbernen Bildsäulen der Apostel und schickte sie in die Münze mit der Bemerkung, daß ihr Auftrag nicht sei, still zu stehen, sondern in alle Welt zu gehen. Auf die geprägten Thaler ließ er die Inschrift setzen: „Gottes Freund, der Pfaffen rmnd!" Tilly schlug die räuberischen Scharen Christians 1622 bei Höchst, woraus dieser sich mit Mansfeld verband und nach den Niederlanden zog, um dort von England Hilfe zu erwarten. Tilly erstürmte Heidelberg, Mannheim und Frankenthal und nahm die Psalz durch Raub und Mord hart mit. Als Ersatz für geleistete Hilfe wurde die Heidelberger Bibliothek dem Papst ge= schickt. Jetzt rückte Tilly nach Westfalen und besiegte Christian vor dessen Vereinigung mit Mansfeld 1623 bei Stadtlohn unweit Münster. Die beiden protestantischen Heerführer mußten geächtet ins Ausland gehen; die letzte Hoffnung der Protestanten schien vernichtet. Maximilian von Bayern wurde auf dem Fürstentag zu Regens-bürg 1623 mit der pfälzischen Kurwürde belohnt.
") Die Erzählung, daß 300 oder 400 Psorzheimer Bürger unter ihrem Bürgermeister Deimling diese Rettung durch Aufopferung ihres eigenen Lebens bewirkt hätten, ist eine spätere Erfindung.
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Extrahierte Ortsnamen: Friedrichs Deutschland Niederlanden England Heidelberg Mannheim Frankenthal Westfalen Mansfeld Stadtlohn
182
Zweite Periode der Neuzeit.
förderung der Gerwerbethätigkeit und die Aufnahme reformierter Niederländer, die während der Religionskämpfe mit Spanien ausgewandert waren.
Joachim Friedrich (1598—1608) gab die ihm zufallenden fränkischen Fürstentümer feinen beiden Stiefbrüdern und übernahm 1605 für den schwachsinnigen Herzog Friedrich die vormundschaft-liche Regierung über Preußen. Zu rascher Erledigung der Regierungsgeschäfte stiftete er das Geheimratskollegium. Seine fromme und tugendhafte Gemahlin Katharina sorgte durch leibliche und geistliche Wohlthaten für Linderung von Armut und Not unter ihren Landeskindern.
4. Die Kurfürsten Johann Sigismund und Georg Wilhelm.
Johann Sigismund (1608—1619) erweiterte seinen Besitz durch große Gebiete. 1609 starb der geistesschwache Herzog Johann Wilhelm von Jülich, Kleve, Berg ohne männliche Erben. Das Land sollte deshalb als weibliches Erblehen an seine älteste, mit dem Herzog Albrecht Friedrich von Preußen vermählte Schwester fallen und, da diese 1608 gestorben war, an deren älteste Tochter Anna übergehen, welche mit Kurfürst Johann Sigismund vermählt war. Zugleich trat aber auch der Pfalzgraf Wolfgang von Neuburg als Sohn der jüngeren, noch lebenden Schwester Johann Wilhems mit Erbansprüchen auf; ferner machte Kursachsen Ansprüche geltend. Hierdurch entstand der jülichfche Erbfolgestreit von 1609—1614. Um einen Machtzuwachs des aufstrebenden brandenburgischen Staates im Westen Deutschlands zu verhindern, mischte sich auch Kaiser Rudolf Ii. ein und suchte unter dem Vorgeben, Kursachsens Ansprüche zu schützen, die jülichschen Länder selbst in Verwahrsam zu nehmen. Er trat mit Spanien aus die Seite des Pfalzgrafen von Neuburg, der katholisch wurde, während Johann Sigismund, der die reformierte Lehre annahm, Hilfe in Holland fand. Der Kampf bekam einen konfessionellen Charakter, brachte große Verheerung über das Land und griff immer weiter um sich. Da traten England und Frankreich, um eine weitere Ausdehnung des Krieges zu verhindern, vermittelnd zwischen die Parteien, und es kam 1614 zum Teilungsvertrag zu Fanten, durch welchen Jülich und Berg an Pfalzneuburg, Kleve, Mark und Ravensberg an Brandenburg sielen.
Das Herzogtum Preußen. Die zweite Gebietsvergrößerung Brandenburgs bildete nach dem Tode Albrecht Friedrichs 1618 das
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Extrahierte Ortsnamen: Spanien Kleve Deutschlands Spanien Neuburg Holland England Frankreich Pfalzneuburg Kleve Brandenburg Brandenburgs
122
Erste Periode der Neuzeit.
umgeben, was blieb ihm übrig, als sich in Geduld zu fassen und auf jede Bedingung hin die beleidigte Dame zu versöhnen? Heinrich von Braunschweig faßte sich zuerst und brach in lautes Gelächter aus. Er ergriff den vernünftigen Ausweg, die ganze Sache ins Lustige zu kehren, und hielt der Gräfin eine Lobrede über ihre landesmütterliche Sorgfalt und den entschlossenen Mut, den sie bewiesen. Er bat sie, sich ruhig zu verhalten, und nahm es auf sich, den Herzog Alba zu allem, was billig sei, zu vermögen. Auch
brachte er es bei demselben wirklich dahin, daß er auf der Stelle einen Befehl an die Armee ausfertigte, das geraubte Vieh den Eigentümern ohne Verzug wieder auszuliefern. Sobald die Gräfin der Rückgabe gewiß war, bedankte sie sich aufs schönste bei ihren Gästen, welche sehr höflich von ihr Abschied nahmen.
Ohne Zweifel war es diese Begebenheit, die der Gräfin den Beinamen der Heldenmütigen erwarb. Man rühmt noch an ihr die Standhaftigkeit, mit welcher sie die Reformation in ihrem Lande förderte. Vielen protestantischen Geistlichen, welche um der Religion willen verfolgt wurden, gewährte sie Schutz und Beistand. Sie
starb allgemein verehrt und betrauert im 58. Jahre ihres Lebens.
9. In anderer Weise war damals für das Wohl ihrer Heimat ein armes Mädchen, Barbara Uttmann aus Annaberg, thätig. Sie war 1514 geboren und gilt als die Erfinderin der Spitzenklöppelei, worin sie dem armen Landvolk im Erzgebirge Unterricht erteilte. Dadurch ward sie die Veranlassung, daß seitdem Tausende in jener Gegend Beschäftigung und Brot fanden. Ihre uneigennützigen Bemühungen würdigte ein reicher Grubenbesitzer und
wählte sich das fleißige, fromme Mädchen zur Lebensgefährtin. Als
begüterte Hausfrau fetzte sie bis zu ihren letzten Lebenstagen die Unterweisung des armen Landvolks im Spitzenklöppeln fort, und gesegnet von Kindern, Enkeln und Tausenden, welche sie vor Not und Elend gerettet hatte, starb sie 1561. Ihr Grab ziert ein Monument von Alabaster mit der Aufschrift:
Ein thätiger Geist, eine sinnige Hand,
Sie ziehen den Segen ins Vaterland.
10. Wie Philipp der Großmütige und Wilhelm V. von Hessen der Sache des Protestantismus sich ganz hingaben, so sind auch mehrere hessische Fürstinnen von gleichem Eifer für die gute Sache beseelt. Philipps Gemahlin Christina, eine Tochter des Herzogs Georg von Sachsen, eine würdige Mutter ihres
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7. Die Frauen des ersten Zeitraums.
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Landes, führte während der Gefangenschaft ihres Gemahls die Regierung von Hessen, nachdem sie zweimal fußfällig den Kaiser um Gnade angefleht hatte. Sie erhielt von Philipp viele Briefe aus seiner Haft, welche alle mit den Worten „liebes Weib" beginnen. Die Freilassung ihres Gemahls erlebte sie nicht mehr, sondern sie starb bereits 1549 vor Gram und Sehnsucht. Von ihrem Vater hatte sie die Strenge und Festigkeit des Gemüts, nicht aber den Haß gegen das Luthertum geerbt. Erwähnung verdient auch die Land-gräfin Juliane von Hessen als die erste deutsche Fürstin, welche für ihren minderjährigen Sohn Wilhelm V. 1630 ein Bündnis mit dem Schwedenkönige einging. Als Wilhelm volljährig ward, blieb er diesem Bündnisse stets treu. Hessen hat es Wilhelms vortrefflicher Gemahlin Amalie Elisabeth zu danken, daß es im westfälischen Frieden nicht unansehnliche Zugeständnisse erhielt. Die Landgräfin Amalie Elisabeth war eine geborene Gräfin von Hanau und, wie Schiller in seiner Geschichte des dreißigjährigen Krieges sagt, durch eine liebenswürdige Bildung und durch die Grazie ihrer Sitten die Zierde ihres Geschlechts, durch häusliche Tugenden das Muster eines guten Weibes, durch Weisheit und Standhaftigkeit, durch Verstand und Mut eine große Fürstin. Diese vortrefflichen Eigenschaften wußte niemand höher zu schätzen als ihr Gemahl. Darum bestellte er sie auch auf feinem Sterbebett zur Vormünderin feiner Kinder*). Zu einer höchst stürmischen Zeit (1637) trat Amalie Elisabeth die Regierung an, und mit männlichem Geiste, seltener Thatkraft und Unerschrockenheit wußte sie sich gegen ihre Feinde zu behaupten, die neue Lehre zu schützen und die Ehre ihres Fürstenhauses zu bewahren. Sie hatte sich durch ihren Edelmut so hohes Ansehen erworben, daß der Herzog von Longueville, erster französischer Bevollmächtigter in Münster, zu den anderen Gesandten sagte: „Ii
saut faire beaucoup aux faveurs d’une Dame si vertueuse com-me est Madame la Landgrave. Pourquoi, Messieurs, surmontez vous-memes et donnez tonte satisfaction ä Madame en ce qu’elle desire.“ Darum vorzüglich ward Hessen beim Abschlüsse des westfälischen Friedens mit am besten bedacht. 1650 legte Amalie Elisabeth mit dem Bewußtsein, ihre Pflichten treu erfüllt, ihr Land vergrößert, demselben eine bessere Verfassung gegeben und den Besitz Hessens ihrem Fürstenhause gesichert zu haben, die Regierung in die Hände ihres Sohnes. Ein Jahr später starb sie.
*) Bernhard von Weimar hielt nachmals um Amaliens Hand an; sein früher Tod 1639 vereitelte seinen Plan.
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Zweite Periode der Neuzeit.
6. Der letzte Kurfürst und erste König von Preußen.
Friedrich m., des großen Kurfürsten Sohn, regierte als Kurfürst von 1688 —1701. Er verhinderte die im Testamente seines Vaters beabsichtigte Landesteilung und strebte danach, seinem Staate nach außen hin das Ansehen und die Geltung zu verschaffen, welche dessen Macht und Größe beanspruchen konnte. Den Schwiebuser Kreis trat er an Östreich ab, machte aber dafür feine Ansprüche auf die schlesischen Herzogtümer wieder geltend. Er unterstützte den Statthalter Wilhelm Iii. von Holland, als dieser 1688 den englischen Thron bestieg. Im Orleansschen Krieg führte er fein Heer gegen Ludwig Xiv. an den Niederrhein und erstürmte Bonn.
Trotzdem ging er im Frieden zu Ryswyk 1697 leer aus. Dagegen kaufte er von August Ii. von Sachsen das Reichsstift Quedlinburg und die Reichsstadt Nordhausen 1697.
Dem Kurfürsten ging die Festigkeit des Willens ab, die sein Vater besaß. Er war körperlich schwach, gutmütig und einem prunkenden Hofleben zugeneigt. Die Regierung beeinflußte zunächst der strenge und tüchtige Eberhard von Dankelmann, sein Lehrer, und nachdem dieser gestürzt war, der geschmeidige, unwürdige Hofmann Kolb von Wartenberg, welcher allen Wünschen und Neigungen des prachtliebenden Kurfürsten entgegen kam. Die Mittel für die glänzende Hofhaltung und zur Führung der Kriege beschaffte er dadurch, daß neue Steuern, wie Kopf-, Grund- und Gebäude-steuer, eingeführt wurden. Eine Bildungsstätte schuf der Kurfürst durch Gründung der Universität Halle 1694, an welcher
August Hermann Francke (§. 17), der Gründer des Waisenhauses, wirkte, wo ferner der aus Sachsen vertriebene Lehrer der Rechtswissenschaft Thomasius, der eifrige Vorkämpfer für den Gebrauch der deutschen Sprache und Abschaffung der Hexenprozesse und Folter, Aufnahme fand, und der Freiherr von Canstein seine berühmte Bibeldruckerei errichtete. 1700 wurde nach dem Plane des großen Gelehrten Leibnitz und unter dem Einfluß der geistvollen Kur-fürstin Sophie Charlotte (§. 18, 8) in Berlin die Akademie der Wissenschaften gestiftet.
Das Ziel feines Strebe ns war die Erhebung seines Staates zum Königreiche. Mit diesem Trachten nach Erhöhung feiner Würde stand er nicht allein. Der Statthalter Wilhelm von Holland hatte die englische Königskrone erlangt, für Hannover war 1692 die neunte Kurwürde errichtet worden; der Kurfürst
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Extrahierte Ortsnamen: Holland Bonn Sachsen Sachsen Canstein Berlin Holland
§. 12, 6. Der letzte Kurfürst und erste König von Preußen. 191
August Ii. von Sachsen war nach dem Tode Johann Sobieskys 1697 zum König von Polen erwählt worden. Zudem ragte die Macht des brandenburgischen Staates seit der erfolgreichen Regierung des großen Kurfürsten weit über die der übrigen Reichsländer. Der Kurfürst beabsichtigte, die Königswürde auf das Herzogtum Preußen zu gründen, das außerhalb des deutschen Reichsverbands lag, und ließ vermutlich seit 1693 am Wiener Kaiserhos Verhandlungen über diese Angelegenheit führen. Da aber Östreich auf den aufstrebenden Staat eifersüchtig war, so konnte nur ein Vorteil für Östreich die Einwilligung zu der Rangerhöhung herbeiführen. Dieser Vorteil bot sich bei Erwerbung der spanischen Erbschaft nach dem Tode Karls Ii., wo die treffliche brandenburgifche Armee dem Kaiser gute Dienste leisten konnte. Friedrich verpflichtete sich, in dem bevorstehenden spanischen Erbfolgekrieg dem Kaiser 10 000 Mann Hilsstruppen zu stellen. Nun schloß Kaiser Leopold I. mit dein Kurfürsten am 16. November 1700 den Kro nvertrag, in welchem der Kaiser die Zustimmung dazu erteilte, daß sich Friedrich König in Preußen*) nenne. Daraufhin setzte Friedrich sich und seiner Gemahlin am 18. Januar 1701 in Königsberg die Königskrone auf. Am Vorabend des Krönungstages hatte er den schwarzen Adlerorden mit dem Wahlspruch: Suum
cuique (Jedem das Seine) gestiftet, den höchsten Orden der preußischen Krone. Als Nationalfarbe wurde schwarz und weiß nachdem Gewände der Ritter des deutschen Ordens gewählt. Mit der Erhebung des brandenburgisch-preußischen Staates zum Königreich Preußen war das Land ein wichtiges Glied des europäischen Staatensystems geworden; es bedurfte nun der unablässigen Arbeit seiner Fürsten, dem stolzen Namen die rechte Bedeutung zu geben.
Als König Friedrich I. (1701 — 1713) hat er das Versprechen, das er als Kurfürst dem Kaiser Leopold I. gegeben, treu gehalten. Nachdem der spanische Erbfolgekrieg ausgebrochen war, verstärkten preußische Truppen das Heer des Kaisers und nahmen ruhmreichen Anteil an den großen Waffenthaten dieses Krieges gegen die Franzosen. Ihr tapferer Führer war Fürst Leopold von Anhalt-Dessau, ein derber, strenger Kriegsmann, der sich zum Entsetzen seines Hofes mit der Tochter (Anna Life) eines Dessauer Apothekers vermählt hatte und feit 1698 die Regierung feines Landes führte. Er hat drei preußischen Königen gedient und dem preußischen Fuß-
*) Der Titel wurde nach der ersten Teilung Polens 1772 in König von Preußen umgewandelt.
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Extrahierte Personennamen: August Johann_Sobieskys Johann Karls Friedrich Friedrich Leopold_I. Friedrich_König Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich_I. Leopold_I. Leopold_von_Anhalt-Dessau Leopold Anna_Life
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Polen Karls Königsberg Polens
§. 13, 2. Friedrich der Große als König von Preußen. 201
Der zweite schlesische Krieg 1744—1745. Da Friedrich Ii. dem Kaiser Karl Vii. seine Stimme gegeben hatte, so rvurbe er jetzt um Schlesien besorgt. Er schloß beshalb mit dem Kaiser, Frankreich, Hessen-Kassel und Kurpfalz ein Bünbnis zur Erhaltung der Reichsverfassung und des kaiserlichen Besitzes. Mit 80 000 Mann „kaiserlicher Hilfstruppen", wie er seine Armee nannte, rückte er eiligst in Böhmen ein und eroberte Prag. Allein Prinz Karl von Lothringen zwang ihn zum Rückzug aus Böhmen, und Karl Vii., der in seine Hauptstabt roieber eingezogen war, starb nach kurzer Zeit ba-selbst (1745). Nun schloß Maria Theresia mit Karl Alberts Sohn, dem Kurfürsten Maximilian Joseph von Bayern benfrieben z u Füssen 1745, in welchem biefer auf die östreichische Erbschaft verzichtete; ihr Gemahl Franz Stephan folgte als Kaiser Franz I. (1745—1765). Friedrich gegenüber erklärte Maria Theresia, daß Schlesien durch den Bruch des Breslauer Friebens dem östreichischen Hause roieber anheim gefallen fei. Friedrich ließ sich aber durch biefe unangenehmen Ereignisse nicht außer Fassung bringen und schlug die Sstreicher bei Hohmsriedberg (4. Juni) und bei Soor (30. Sept.) 1745. Zroar versuchten biefe, Berlin zu überfallen, allein Friebrichs Schnelligkeit rettete die bebrohte Hauptstabt. Da auch die Sachsen sich feinbfelig zeigten, so mußte „der alte Dessauer" gerabes Wegs auf Dresben marschieren. Er fanb die Sachsen und Dstreicher auf den Höhen von Kesselsdorf (15. Dez.) 1745 und errang bafelbft einen solchen Sieg, daß Dresben sich ergab und Maria Theresia den Frieden zu Dresden (25. Dez.) 1745 einging, in welchem Friedrich Schlesien behielt.
Frankreich und Spanien setzten den östreichischen Erbsol ge-krieg noch fort, und Frankreich eroberte unter dem Marfchall Moritz von Sachsen die östreichische Nieberlanbe. Aber 1748 gaben sie im Frieb enzu Aachen ihre Eroberungen an Östreich zurück, das Parma und Piacenza an einen spanischen Prinzen abtrat, und erkannten die pragmatische Sanktion an.
Friedrichs Ii Thätigkeit im Frieden. Friedrich Ii. hatte auf Grunb einer unter Kaiser Leopolb I. dem branbenlmrgifchen Hause 1694 verliehenen Anwartschaft, 1744 Ostfrieslanb erworben, wo das Grafenhaus erloschen war. Nach Beenbigung des zweiten schlesischen Krieges wanbte er seine ganze Kraft den inneren Angelegenheiten feines Laubes zu. Er suchte vor allem die erschöpften Finanzen roieber auszurichten und die dem Laube durch den Krieg geschlagenen Wunben zu heilen. Dies gelang ihm
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